Mautbefreiung in Deutschland wackelt - DVZ 06/10/20
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Mautbefreiung in Deutschland wackelt
Sollte die deutsche Mautbefreiung für schadstoffarme LKW ab 2021 wegfallen, wie das die EU-Kommission verlangt, drohen Transportunternehmen und Speditionen dramatische Folgen. „Die Kalkulation fällt dann in sich zusammen“, sagt Axel Plaß, Geschäftsführer der Hamburger Konrad Zippel Spedition der DVZ. Er hat kürzlich 20 LKW bestellt, die mit Erdgas fahren, ein anderes Unternehmen gar 500 Fahrzeuge, wie er weiß. Deshalb glaubt Plaß nicht, dass die Branche ein „Aus“ für die Mautfreistellung klaglos akzeptieren werde.
Eine Einigung auf einen neuen Richtlinientext ist noch nicht in Sicht. Die Mautbefreiung über 2020 hinaus will die EU-Kommission aber nicht akzeptieren, betont der Sprecher gegenüber der DVZ. Aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es zu dem Thema, man befinde sich „diesbezüglich aktuell in Gesprächen mit der EU-Kommission.“ Um die geltende Wegekostenrichtlinie durchzusetzen, könnte die Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Branche vermisst Alternativen
„Wenn die Biomethan-Geschichte nicht weiterläuft, bleibt uns aus Mangel an Alternativen nur wieder der Diesel-LKW. Es gibt ja nichts anderes. Man muss sich von der europäischen oder politischen Seite entscheiden, was man eigentlich will“, sagt Unternehmer Axel Plaß. Und Strehl fügt hinzu, dass Gas neben Diesel der serienreifste Antrieb sei. Der werde aber gerade „totgeredet“.
Ismail Ertug (SPD), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament, hat Verständnis dafür, dass die EU-Kommission eine Mautbefreiung von Gas-LKW aus Klimaschutzgründen für „kontraproduktiv“ hält. Außerdem sehe die geltende Wegekostenrichtlinie die Mautbefreiung eben nicht vor. Man könne aber durchaus fragen, warum die Kommission bisher den Verstoß gegen EU-Recht toleriert habe.
Die Bundesregierung müsse sich dagegen vorwerfen lassen, „etwas zu machen, was juristisch nicht auf festen Füßen steht“, so Ertug. „Den Unternehmen kann man keinen Vorwurf machen, dass sie auf die deutsche Regierung vertrauen“. Eine Welle von Klagen durch betroffene Unternehmen hält Ertug für „durchaus im Bereich des Möglichen“.
Berlin müsse jetzt dringend einen Text für eine neue Wegekostenrichtlinie vorschlagen, durch den die deutschen Mautausnahmen abgedeckt wären, sagt Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Europaparlament. Denn die Ausnahmen seien durchaus sinnvoll, um mehr umweltfreundliche LKW in den Markt zu bringen. Selbst wenn die Reform der „Eurovignette“ noch Zeit braucht, würde sich die Kommission bei einem solchen Vorschlag leichter tun, die deutschen Ausnahmen weiter zu tolerieren, meint Gieseke.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber glaubt, dass die EU-Kommission eine Rechtsgrundlage für eine weitere Mautbefreiung in Deutschland finden könnte, wenn sie wollte. Die Kommission handle nicht stringent im Sinne des Klimaschutzes, wenn sie auf ein Ende der Ausnahmen pocht. „Wenn man wirklich will, dass wir alternative Antriebe im Gütertransport bekommen, dann sollte man das nicht nur über die Steuer fördern, sondern auch über die Maut“, so Ferber zur DVZ.
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Erdgas-Fahrzeuge sind derzeit von der Maut befreit.
Quelle: BMVI
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Erdgas-LKW wurden 2019 zur Förderung angemeldet.
Quelle: BMVI
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mal teurer als ein Diesel-LKW ist ein E-LKW.
Quelle: Meyer Logistik