Digitalisierung braucht alle - Hupac (DVZ) 20/10/20
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Digitalisierung braucht alle
Im Hupac-Großterminal Busto Arsizio können Kunden seit Jahresanfang die voraussichtliche Abholzeit für ihre Sendungen abrufen. (Foto: Ti-Press / Gabriele Putzu )
Wie sollte eine Prozesskommunikation im Kombinierten Verkehr idealerweise aussehen? Vermutlich so:
Lieber Kunde,…
„… wir haben Ihren Transportauftrag erhalten.“
„… Ihre Einheit wurde auf den Zug X mit Abfahrt in 6 Stunden eingebucht.“
„… gerne teilen wir Ihnen mit, dass die Einheit plangemäß verladen wurde.“
„… der Zug ist abgefahren.“
„… auf unserem Train Radar können Sie Ihre Ladung virtuell begleiten.“
„… bei Unregelmäßigkeiten informieren wir Sie proaktiv.“
„… Ihre Ladeeinheit ist voraussichtlich in 3 Stunden abholbereit am Bestimmungsterminal.“
„… wir bestätigen, dass Ihre Ladeeinheit abholbereit ist.“
„… Ihre Ladung wurde soeben abgeholt.“
„… weitere Ladeeinheiten warten im Terminal auf Ihre Fahrer.“
Easy, nicht wahr? Doch im echten Leben stehen wir vor der Herausforderung, die Stimmen der zahlreichen involvierten Akteure zusammenzutragen und sinnvoll zu orchestrieren.
Seit Jahren arbeiten die IT-Spezialisten bei Hupac daran, das System zu „entkomplexisieren“ und die Informationsflüsse einfach, klar und transparent zu gestalten. Rund ein Dutzend kommunikationsrelevante Prozessschritte wurden identifiziert und designt.
Basis ist das bewährte Branchentool „Cesar“. Darauf entwickeln wir Applikationen auf unserer webbasierten Plattform „Wolf“ und stellen sie Schritt für Schritt den Kunden zur Verfügung. Wichtig ist, dass wir das Alte mit dem Neuen verheiraten.
Im vergangenen Jahr haben wir den „Hupac Train Radar“ freigeschaltet. Auf dieser Applikation hat jeder Kunde den vollständigen Überblick über die Position seiner Ladeeinheiten – geografisch wie auch zeitlich mit minutengenauer Angabe der Abweichungen vom Fahrplan. Möglich machen es die Integration der Zuglaufdaten durch einen unserer Bahnpartner sowie die GPS-Ortung aller Züge im Netzwerk von Hupac Intermodal.
Anfang 2021 wird ETP an weiteren fünf Terminals ausgerollt
Noch spannender für die Kunden ist die Frage „Wann ist die Sendung abholbereit?“. Denn zuverlässige Informationen vermeiden Leerfahrten, verringern die Durchlaufzeiten in den Terminals und machen Platz für mehr Züge.
Seit Anfang des Jahres ist für alle Züge mit Ankunft im Terminal Busto Arsizio-Gallarate die voraussichtliche Abholzeit im „Train Radar“ abrufbar. Rund drei Stunden vor der „Estimated Time of Pick-up“ beträgt die Zuverlässigkeit der Vorhersage 80 Prozent – ein Wert, mit dem wir fürs Erste zufrieden sind.
Seit April 2020 testen wir die Abholzeit-Vorhersage für die Terminals Aarau, Basel, Chiasso, Singen und HTA Antwerp. Anfang 2021 sind wir bereit für die Freischaltung.
Und wie kommen die Kunden an die Daten? Mit welcher Datenfülle werden sie täglich geflutet, wer bekommt welche Daten über welchen Kanal? Die Mehrzahl der Transportunternehmer nutzt heute die Plattform „Wolf“, die wir künftig vermehrt mit Alert-Funktionen als Ersatz für den E-Mail-Versand ausstatten. Denn systemzerstörend sind eher die kritischen Abweichungen; darüber gilt es zu informieren.
Einen erfreulichen Zuverlässigkeitswert von bis zu 90 Prozent haben wir auch beim Projekt „Voraussichtliche Ladeliste“ erzielt. Damit können wir durch digital gestützte Planungsprozesse über unser Tool „Speak“ den Transport auf einem spezifischen Zug mit einem Vorlauf von rund sechs Stunden vorhersagen. Das erhöht Transparenz und Planbarkeit und ermöglicht beispielsweise die Priorisierung von einzelnen Sendungen.
Das Projekt wurde erfolgreich getestet und ist heute für etwa die Hälfte des Verkehrs im Einsatz. Bis Ende des Jahres wird die Abdeckung schrittweise ausgeweitet – allerdings nicht für alle Verbindungen. Denn die Voraussetzung für die digitalisierte Zugbelegungsplanung ist die Verfügbarkeit der Buchungsdaten der involvierten Terminals. Und nicht alle Terminals sind heute bereit, uns die erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen – eine tradierte Haltung, an der alle Beteiligten arbeiten müssen.
Damit sind wir beim zentralen Thema der Kooperation angelangt. Dass wir heute einige unserer Prozesse digitalisieren können, verdanken wir der Bereitschaft zumindest einiger unserer Partner, ihre Daten offen zu teilen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Infrastrukturbetreiber die Laufdaten unserer Züge an Bahnunternehmen und diese wieder an uns übermitteln. Oder dass uns Terminals die Buchungsdaten der Kunden durchreichen. Wenn Daten das Gold des digitalen Zeitalters sind, dann schafft die Verfügbarkeit von Daten einen echten Mehrwert. Keine Digitalisierung ohne Kooperation!
Umso wichtiger sind für Hupac Branchenprojekte. Beim EU-Projekt „Eleta“ entwickeln wir gemeinsam mit verschiedenen Kombi-Operateuren eine Zug-Ankunftsvorhersage unter Nutzung von KI. Das vom BMVI finanzierte Projekt KV4.0 bezweckt die Einrichtung eines Datenhubs für alle Funktionen entlang der Leistungskette unter Teilnahme von Transportunternehmen, Kombi-Operateuren, Terminals und Bahnen.
Für all diese Projekte hat Hupac Basisarbeit geleistet – und zwar durch die Entwicklung des Datenaustauschstandards „Ediges“. Er ist heute zum europäischen Standard für Datenaustausch im Kombinierten Verkehr avanciert und wird kostenfrei von Hunderten von Unternehmen genutzt.
Standard in Eigenregie zu führen, macht einfach keinen Sinn
Vor zwei Jahren haben wir Ediges in ein Konsortium überführt, das das System unternehmensneutral als Ressource für die gesamte Branche weiterentwickelt. Ehrlich, es macht überhaupt keinen Sinn, einen Standard in Eigenregie zu führen! Wenn wir uns unserer Leistungsstärke sicher sind und an den Kombinieren Verkehr als Schlüssel zu mehr Verkehr auf der Schiene im Sinne des Green Deals glauben, ist dies unser Beitrag, den wir gerne in den Markt geben.
Diesen kooperativen, branchenorientierten Approach wünschen wir uns natürlich von allen Partnern sowie unterstützend von der europäischen Verkehrspolitik. Gemeinsam machen wir den Kombinierten Verkehr leistungsfähiger, den Güterverkehr umweltverträglicher und die Versorgung des Kontinents Europa effizienter. (kl)
Michail Stahlhut ist CEO der Hupac Gruppe, Chiasso/Schweiz.