Kein Spielball nationaler Politik - RC Schultze (DVZ) 20/10/20
< Back to listSource: DVZ
Im Betrieb passt im Kombinierten Verkehr vieles recht gut zusammen. Der Rechtsrahmen hingegen könnte deutlich passgenauer gearbeitet sein. (Foto: HHLA/Thies Rätzke)
Auf der Regulierungsebene in der EU stehen viele Themen unmittelbar an. Dazu gehört auch die Richtlinie zum Kombinierten Verkehr (KV). Deren Überarbeitung wird explizit und schwarz auf weiß sogar im European Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwähnt.
Das Mobilitätspaket I hat gezeigt, wie politisiert der Verkehrsmarkt bisweilen sein kann und wie schwer es ist, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen und Interessen unter einen Hut zu bringen.
Den Mitgliedstaaten das Wahlrecht zu lassen, die Kabotagefreiheit im KV aufzuheben oder nicht, ist ein Fehler. Geltendes Recht wird hier überschrieben und der Grundsatz der Gleichbehandlung von Straße und Intermodal bei grenzüberschreitenden Verkehren (Artikel 4 der KV-Richtlinie) einfach ignoriert. Dabei bildet dieser Grundsatz seit 1975 das Rückgrat des KV in Europa. Die Risiken einer Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße sind schwerwiegend und real.
Der KV wird nur dann nicht unter die Räder kommen, wenn die Politiker in den Mitgliedstaaten die Grundregeln des Außenhandels, den ökologischen Fußabdruck und das Prinzip der Wettbewerbsgleichheit ernst nehmen.
10 Grundregeln sprechen für den KV – und Politiker sollten sie beherzigen:
1. Der KV ist für jede Art von Fracht geeignet
Im Kombinierten Verkehr kann jede Art von Fracht, die in einem LKW befördert wird, in einer intermodalen Ladeeinheit effizient auf die Schiene oder das Wasser umgeladen werden. Der Umschlag einer LKW-Ladung dauert in der Regel weniger als 2 Minuten.
2. Der KV basiert auf einem europaweiten Terminalnetz
Die Terminaldichte in den Kernregionen Europas entlang der „blauen Banane“ unterstützt ein kontinentweites Netz von regelmäßigen KV-Angeboten. Die Terminalkapazitäten in den etwas abgelegeneren Regionen werden zügig ausgebaut.
3. Von jedem Verkehrsträger nimmt der KV nur das Beste
Der Kombinierte Verkehr setzt auf jedem Streckenabschnitt das ideale Transportmittel ein und gewährleistet so die bestmögliche Leistung – aus der Sicht der Wirtschaftsakteure, aber auch der Gesellschaft insgesamt. Intermodale Ladeeinheiten und ein leistungsfähiger Umschlag gewährleisten Effizienz und Sicherheit auf langen Strecken. Die nachhaltigen Verkehrsträger Schiene, Binnenschifffahrt und Shortsea können effizient in die Logistikkette integriert werden, während die Straße auf den kurzen Vor- und Nächläufen ihren Beitrag leistet.
4. Der KV vernetzt alle europäischen Standorte
Der Kombinierte Verkehr hat Zugang zu jeder auf der Straße erreichbaren Quelle und Senke. Die kurzen Straßenabschnitte auf der ersten oder letzten Meile ermöglichen den Einsatz von LKW mit begrenzter Reichweite und alternativen Antrieben mit einer einzigen Tankstelle am Terminal.
5. Jeder zweite Güterzug ist ein intermodaler Zug
Der KV war 2019 für jeden zweiten Tonnenkilometer im Schienengüterverkehr verantwortlich. Der intermodale Transport ist das einzige dynamisch wachsende Produktionssystem des europäischen Schienengüterverkehrs – weil er den Bedürfnissen der Wirtschaft am besten entspricht.
6. Beim KV werden 50 LKW-Ladungen von einem einzigen Fahrer befördert
Ein intermodaler Zug befördert 50 LKW-Ladungen mit einem einzigen Fahrer. Der Wasserweg bietet teilweise sogar eine noch höhere Arbeitsproduktivität. Der beschwerliche Alltag des Fernfahrers könnte durch mehr Kombinierten Verkehr erleichtert werden.
7. Symbolische Transportinfrastruktur hat durch den KV einen wirtschaftlichen Wert
Der Ärmelkanal-Tunnel, der Gotthard-Basistunnel, die Öresundbrücke, der Brenner-Basistunnel, der Fehmarnbelt-Tunnel: Keines dieser Großprojekte hätte einen Sinn ergeben ohne intermodale Züge mit entsprechendem Verkehrsaufkommen.
8. Inseln und abgelegenere Regionen werden wirtschaftlich integriert
Durch den Kombinierten Verkehr werden zig Millionen europäische Bürger effizient auch über die EU hinaus in die wirtschaftliche Zusammenarbeit integriert, die der europäische Binnenmarkt bietet: von Island über Irland, das Vereinigte Königreich und alle Inseln im Mittelmeer sowie Schweden und Norwegen, die Iberische Halbinsel und den Balkan.
9. Autos und Busse haben mehr Platz auf der Straßeninfrastruktur
Der Kombinierte Verkehr trägt wesentlich dazu bei, Milliarden Tonnenkilometer von der Straße zu verlagern, die sonst durch den Einsatz schwerer und langsamer Fahrzeuge die öffentliche Straßenverkehrsinfrastruktur belasten würden. Autobahnen, Brücken und andere teure Straßeninfrastruktur werden langlebiger und nachhaltiger. Es gibt mehr Platz für das Auto, Unfallgefahren werden minimiert, die Sicherheit maximiert.
10. Der KV ermöglicht eine effiziente globale Vernetzung
Der globale Handel ist für den Wohlstand unseres Kontinents von wesentlicher Bedeutung. Die Produkte der weltweit führenden Produktionsstätten erreichen ihre globalen Käufer über Container, die im Kombinierten Verkehr effizient zu den Tiefseehäfen transportiert werden. Auf dem Rückweg bringen dieselben Container unterschiedlichste, zum Teil lebenswichtige Konsumgüter von weit entfernten Kontinenten nach Europa.
Ralf-Charley Schultze ist Generaldirektor der internationalen Kombi-Vereinigung UIRR, Brüssel.