Revision der KV-Richtlinie dringend notwendig 25/03/25
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Revision der KV-Richtlinie dringend notwendig
-- Michael Cordes
Die beiden Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft, Steffen Nestler und Thomas Nobel, über die Bedeutung der Verkehrsträger für die GVZ, die Antriebswende im Straßengüterverkehr und die Bedeutung von Klimabilanzen an den GVZ-Standorten.
DVZ: Herr Nestler, Herr Nobel, in den vergangenen Jahren standen GVZ weniger im Rampenlicht. Liegt das daran, dass sie zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind oder sind sie aus der Mode gekommen?
Thomas Nobel: GVZ sind nicht aus der Mode gekommen. Es ist vielmehr sehr gut gelungen, sie am Markt zu etablieren. Es gibt in Deutschland 35 GVZ mit über 60.000 Beschäftigten. Die GVZ sind mittlerweile quasi vollgelaufen. Bis auf wenige Ausnahmen benötigen wir an allen Standorten Erweiterungsflächen. Dass wir diesen Zustand erreicht haben, ist keine Selbstverständlichkeit.
Der Verkehrsingenieur (Jahrgang 1969) begann seine berufliche Laufbahn bei der LUB Consulting, einem auf Güterverkehrs- und Logistikthemen spezialisierten Ingenieurbüro in Dresden. 2006 wurde er Geschäftsführer des Unternehmens. Seit 1998 ist er zudem Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft.
Was unterscheidet die heutige Situation von der um die Jahrtausendwende?
Nobel: In den 90er Jahren befanden sich GVZ noch am Anfang ihrer Entwicklung. Damals ging es um die Förderung von Strukturen, um den intermodalen Verkehr. Jetzt ist es um die Gründung von GVZ ruhiger geworden. Es stehen Themen im Vordergrund wie die Flächenknappheit.
Steffen Nestler: Wir beobachten, welche Innovationen sich von einem zum nächsten GVZ übertragen lassen. Dann initiieren wir Projekte an GVZ-Standorten oder unterstützen bei der Umsetzung.
Braucht Deutschland keine zusätzlichen GVZ mehr?
Nestler: Viele werden sicherlich nicht mehr gegründet. Es gibt Regionen wie den Großraum München oder Stuttgart, in denen es solche Anlagen nicht gibt. Das hat insbesondere den Grund, dass dort nur wenige Flächen für größere, zusammenhängende Logistikansiedlungen verfügbar sind. Zudem ist die GVZ-Dichte in Deutschland schon sehr hoch.
Nobel: Wir haben bereits ein etabliertes Netz. Es kommen vielleicht noch eine Handvoll Standorte infrage. Man muss sich aber auch die Dimensionen anschauen. Wir reden ja nicht über Gewerbegebiete mit 5 oder 6 Hektar. Mit 150 bis 200 Hektar durchschnittlicher Fläche für ein GVZ in Deutschland übertrifft ein solches Zentrum andere Gewerbeflächen um ein Vielfaches.
Nestler: Neue Impulse für die Errichtung von GVZ könnten erfolgen, wenn es künftig Pflicht werden sollte, bei Ausweisung größerer Gewerbeflächen auch eine Bahnanbindung zu gewährleisten.
Nobel: Deshalb arbeiten wir mit dem VDV zusammen bei der Entwicklung und Durchsetzung der Gleisanschlusscharta. Denn die Intermodalität gehört zum Markenkern unserer Gesellschaft und damit auch unserer Mitglieder.
Der Wirtschaftswissenschaftler (Jahrgang 1966) ist seit 1998 Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft und Inhaber der 2018 gegründeten Tobe-now-Logistics-Research. Seine Forschungs- und Beratungsprojekte umfassen neben GVZ Themen wie nachhaltige Logistik und Beschäftigungswirkungen in der Logistik.
Wie beurteilen Sie die Maßnahmen zur Förderung des KV in der EU?
Nestler: Wir fordern, dass die Revision der KV-Richtlinie endlich auf den Weg gebracht wird. Allerdings sind die Signale gerade nicht günstig, weil mit dem neuen Parlament zum Teil auch die Ansprechpartner gewechselt haben. Für umso wichtiger halten wir es, die neuen Parlamentarier darauf hinzuweisen, wie bedeutend eine Harmonisierung auf europäischer Ebene ist. Der KV in Europa wird nur dann einen Schub bekommen, wenn es einheitliche Regeln gibt, die grenzüberschreitende Transporte im KV erleichtern.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nestler: Es hilft dem KV überhaupt nicht, wenn in Deutschland die 44-Tonnen-Regel im Vor- und Nachlauf möglich ist, in einem anderen Staat aber nicht. Und es ist ein Armutszeugnis, dass wir immer noch mit der KV-Richtlinie aus dem Jahr 1992 arbeiten und es jetzt auch im zweiten Änderungsversuch nicht danach aussieht, als könne man sich auf eine gemeinsame Linie einigen.
Auch viele KV-Terminals stoßen an ihre Grenzen. Inwiefern können Sie als GVZ-Gesellschaft eine Erweiterung oder den Neubau von Anlagen unterstützen?
Nestler: Wir können nicht den Vorreiter in einer Region spielen. Dazu fehlen uns die Kapazitäten und sind wir vor Ort nicht präsent genug. Aber wir können unterstützen. Wir setzen uns dafür ein, dass die KV-Förderrichtlinie finanziell gut ausgestattet ist, damit die Eigentümer und Betreiber solcher Anlagen eine entsprechende Unterstützung erhalten. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland neue, vielleicht auch kleinere KV-Terminals gebaut werden. Ob es dann auch Platz für Logistikansiedlungen geben wird, hängt von dem jeweiligen Standort ab.
Nobel: Immerhin laufen schon heute etwa 50 Prozent des intermodalen Verkehrs, der in Deutschland abgewickelt wird, über Terminals in den GVZ. Damit sind wir quasi das Rückgrat des intermodalen Verkehrs in Deutschland. Diese Rolle zu stärken, das ist schon eine umfassende Aufgabe.
Interessenvertretung für 17 Standorte
Die DGG wurde 1993 gegründet. Sie vertritt die übergreifenden Interessen der GVZ-Entwickler. Von den 35 GVZ-Standorten in Deutschland sind 17 GVZ in der DGG. Große Beachtung findet die regelmäßige Veröffentlichung des europäischen GVZ-Rankings. Noch in diesem Jahr soll die nächste Version dieser Übersicht erscheinen. Die Gesellschaft wird von den Geschäftsführern Stefan Nestler und Thomas Nobel geleitet.
Was erwarten Sie von einer neuen Bundesregierung zur Unterstützung der GVZ?
Nobel: Für uns ist wichtig, dass die Antriebswende im Straßengüterverkehr mehr als bislang gefördert wird. Die Elektromobilität müssen wir stärker vorantreiben. Wenn von heute auf morgen Förderprogramme gestrichen werden, wie das in der Vergangenheit der Fall war, schafft das keine Akzeptanz und verunsichert extrem. Wir müssen auch viel stärker Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fördern. Wir benötigen mehr Innovation, auch in den GVZ.
Warum ist die Antriebswende im Straßengüterverkehr von so hoher Bedeutung, wenn die Schienenanbindung das Markenzeichen eines GVZ ist?
Nobel: Nehmen Sie den Standort GVZ Bremen: Wir haben dort etwa 1,3 Millionen Quadratmeter Dachfläche. Die sollen für die Erzeugung von Strom per Photovoltaik genutzt werden. Den Strom sollen dann die Lkw-Flotten nutzen. In den GVZ gibt es Logistikanbieter, die zum einen Inhaber und Produzent solcher Anlagen sind, zum anderen aber auch Lkw-Flotten betreiben. Das ist eine ideale Kombination: PV-Stromerzeugung über Solaranlagen und gleichzeitig Hochlauf der Elektromobilität. Beim Antrieb per Wasserstoff ist hingegen unser Eindruck, dass es noch dauert und das Thema vielleicht Anfang der 30er Jahre an Bedeutung gewinnt.
Nestler: Ein KV-Terminal ist ein Kernelement in einem GVZ. Damit verbunden sind aber zahlreiche Lkw-Verkehre im Vor- und Nachlauf. Diese letzte und erste Meile lassen sich leichter elektrifizieren, weil die Reichweiten nicht so groß sind. Zudem sind mit einem GVZ auch viele Verteilerverkehre verbunden. Ein Einsatzgebiet für kleinere Lkw, die gleichfalls für den Elektroantrieb geeignet sind. Somit gibt es in einem GVZ also ein großes Potenzial für solche Fahrzeuge. Das macht es für die Betreiber von Ladeparks interessant, hier zu investieren.
Eine Klimabilanz sollten alle GVZ-Standorte erstellen.
Thomas Nobel, Geschäftsführer Deutsche GVZ-Gesellschaft
Muss die Politik bei den Investitionen in die Infrastruktur nachlegen?
Nestler: Ja, wir benötigen eine bessere Infrastruktur für die Straße wie auch für die Schiene. Und dort, wo sich ein GVZ im Binnenhafen befindet, natürlich auch eine entsprechende Anbindung für die Wasserstraße. Auch die Förderrichtlinien für die KV-Terminals sowie die Gleisanschlussförderung müssen fortgesetzt und finanziell gut ausgestattet werden. Der Bund muss aber auch gewährleisten, dass die Rahmenbedingungen im Schienengüterverkehr stimmen. Wir können nicht über Elektrifizierung des Güterverkehrs reden, egal ob das jetzt Straße oder Schiene ist, und gleichzeitig gehen die Strompreise durch die Decke. Eine neue Bundesregierung muss dort Hebel in Bewegung setzen, wo es ganz offensichtlich eine Schieflage gibt: bei den Trassengebühren zum Beispiel oder beim Bahnstrom.
Nobel: Die aktuelle politische Debatte zeigt ja: Das Thema Infrastruktur hat eine enorm hohe Bedeutung erreicht. Ich mache mir aber eher Sorgen bei der Nachhaltigkeit: Das Thema darf nicht zu kurz kommen. Hier sehe ich den Stellenwert schwinden, obwohl allen klar ist, dass wir im Sektor Verkehr mehr CO2 einsparen müssen, um die Klimaziele einzuhalten.
Inwiefern ist die Aufstellung einer Klimabilanz für GVZ eine zwingende Notwendigkeit?
Nobel: Eine solche Bilanz sollten alle GVZ-Standorte erstellen. Da befinden sich einige GVZ auch auf dem Weg. In Bremen beispielsweise wurden dazu entsprechende Projekte aufgesetzt. Die versuchen zunächst mal zu klären, über welche Emissionen wir reden. Zwei Drittel kommen aus dem Verkehr. Das ist die wichtigste Stellschraube. Da spielen die erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle. Die Erkenntnisse aus Bremen sollen eine Blaupause für andere GVZ sein, in denen dann der entwickelte Instrumentenkasten zum Einsatz kommen kann.
Es ist ein Armutszeugnis, dass wir immer noch mit der KV-Richtlinie des Jahres 1992 arbeiten.
Steffen Nestler, Geschäftsführer Deutsche GVZ-Gesellschaft
Bis wann sind die GVZ klimaneutral?
Nobel: Wir werden nicht per Dekret sagen können, wir wollen das Ziel 2030 oder 2035 erreichen. Das wird noch dauern. Wir haben alleine im GVZ Bremen über 200.000 Tonnen CO2-Äquivalente, die im Jahr ausgestoßen werden, und an den großen Standorten pro Tag etwa 10.000 Nutzfahrzeugbewegungen. Daher lassen sich die Emissionen nicht mal eben auf null absenken. Und dennoch: Die GVZ müssen sich in den nächsten Jahren intensiv mit der Erfassung von Emissionen und deren Vermeidung befassen.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Nobel: Bremen ist sozusagen der Pilot. Die anderen Standorte der Deutschen GVZ-Gesellschaft werden folgen. Interessant dürfte in dieser Hinsicht auch das europäische GVZ-Ranking sein, welche Beachtung unsere europäischen Nachbarn diesem Thema schenken.
Nestler: Auch im GVZ Nürnberg und im Westhafen Berlin wird der Verringerung von CO2-Emissionen starke Beachtung geschenkt. Ansonsten gibt es teilweise auf Initiative einzelner Ansiedler erste Aktivitäten an einzelnen Standorten. Hier macht sich der Vorteil eines GVZ bemerkbar: dass sich logistikaffine Unternehmen an einem Ort befinden, die sich zusammentun, um Emissionen zu erfassen und zu vermeiden.
Gibt es da schon konkrete Projekte?
Nestler: Es gibt das Forschungsvorhaben Transportation in Charge, geleitet vom Fraunhofer-Institut IFAM in Bremen. Dabei sollen Konzepte für die zukünftige Planung der Ladeinfrastruktur in Gewerbegebieten und GVZ erarbeitet werden. Wir als DGG sind zuständig für die Ermittlung von Ladebedarfen in GVZ. Dazu erheben wir gerade die Bedürfnisse der Unternehmen und ob sie bereits auf Ladeinfrastruktur zurückgreifen. Diese Erkenntnisse sind wichtig für Kommunen und Energieversorger, die eine Ladeinfrastruktur aufbauen wollen.