Alpentransit: Schiene verliert deutlich, Straße ist der Gewinner 21/03/25

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Source: https://www.dvz.de/unternehmen/schiene/detail/news/alpentransit-schiene-verliert-deutlich-strasse-ist-der-gewinner.html

 

Alpentransit: Schiene verliert deutlich, Straße ist der Gewinner

 

Kräftiger Rückschlag für den Schienengüterverkehr: Im Alpentransit durch die Schweiz sinkt der Marktanteil von 72 auf 70,3 Prozent. Hauptgrund ist eine außerordentlich große Häufung baustellenbedingter Einschränkungen. „Verlagerung ist kein Selbstläufer“, sagt Dirk Stahl, Chef der BLS Cargo, und stellt Forderungen an Politik und Infrastrukturbetreiber.

 

21. März 2025 | von Michael Cordes

Für den Schienengüterverkehr im Schweizer Alpentransit war 2024 kein erfolgreiches Jahr. Die Mengen waren rückläufig, während über die Straße mehr Güter befördert wurden. Das geht aus dem neuesten Bericht zum alpenquerenden Güterverkehr hervor, den das Bundesamt für Verkehr (BAV) am 20. März 2025 veröffentlicht hat.

3,7 Prozent weniger Mengen auf der Schiene

Auf der Schiene wurden 2024 25,7 Millionen Tonnen über die beiden Schweizer Alpenübergänge Gotthard und Simplon transportiert. Dies bedeutet einen Rückgang von 3,7 Prozent oder 976.000 Tonnen gegenüber dem Vorjahresniveau. Der seit 2022 beobachtbare Trend zu einem rückläufigen Schienengüterverkehrsaufkommen setzte sich somit fort. 2022 wurden noch 28,4 Millionen Tonnen per Bahn befördert: 10,5 Prozent mehr als 2024.

Zugleich nimmt das Wachstum auf der Straße zu. Die Zahl der Fahrten schwerer Güterfahrzeuge durch die Schweizer Alpen lag 2024 bei 960.000. Das waren etwa 44.000 Fahrten beziehungsweise 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Im zweiten Halbjahr betrug die Zunahme sogar 6,1 Prozent. Der Zielwert von 650.000 Fahrten, verankert im Artikel 3 des Bundesgesetzes über die Verlagerung des alpenquerenden Güterschwerverkehrs von der Straße auf die Schiene, wird damit weiterhin deutlich verfehlt. Bezogen auf die Tonnage nahmen die Transporte per Lkw um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

Straße legt im Modal Split zu

Entsprechend hat sich der Modal Split verändert: Die Bahn hält noch 70,3 Prozent, verliert aber gegenüber 2023 (72 Prozent) 1,7 Prozentpunkte. Dieser Negativtrend hält bereits seit 2021 an. Damals kam die Schiene noch auf einen Modal Split von 74,9 Prozent.

„Wir befinden uns damit immer noch auf einem hohen Niveau“, lautet die Interpretation der Zahlen durch Dirk Stahl, CEO des Schweizer Bahnunternehmens BLS Cargo. Doch die rückläufigen Zahlen bereiten ihm Sorge: „Verlagerung ist kein Selbstläufer“, sagt er. Als die Hauptursache für die Verluste nennt er die Baustellenintensität. „Die führt dazu, dass viele Züge ausfallen.“

Sperrungen haben langfristige Auswirkungen

Doch über solche direkten Auswirkungen hinaus haben die Bauarbeiten weitere Folgen: „Wir sehen, dass in den Monaten nach Beendigung einer Baustelle die Zahl der Züge immer noch geringer ist im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Stahl und verweist auf entsprechende Erhebungen des BAV. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wie diesen würden Lkw dann das Mittel der Wahl bleiben.

„Die hohe Baustellenintensität nimmt in den nächsten Jahren ja nicht ab. Damit steigt die Belastung für die Bahnunternehmen“, warnt Stahl. Für die Güterbahnen seien damit finanzielle Einbußen verbunden. „Die Infrastrukturbetreiber kümmern sich nicht richtig darum, welche Folgen die Baustellen für die Eisenbahnverkehrsunternehmen haben“, kritisiert Stahl.

Ausfallquote bei 15 bis 20 Prozent

Am Beispiel seines eigenen Unternehmens beschreibt Stahl die Folgen: „Vor vier Jahren sind in unserem Produktionsplan 7 bis 8 Prozent der Züge nicht gefahren. Jetzt ist dieser Wert auf 15 bis 20 Prozent gestiegen.“ Damit seien Erlöseinbußen verbunden. Weil jedoch die Zugausfälle schwanken, könne BLS Cargo die Kapazitäten für Loks oder Lokführer nicht herunterfahren. „Wir brauchen also für ein vermindertes Angebot fast die gleichen Kapazitäten“, sagt Stahl. Damit werde es für die Bahnunternehmen immer schwieriger, schwarze Zahlen zu schreiben.

„Wir müssen in der Produktion völlig umdenken“, so die Einschätzung von Stahl. Deshalb plädiert er dafür, mehr Abstellgleise und damit Puffer zur Verfügung zu stellen. Aufgrund von Streckensperrungen komme es immer wieder vor, dass Züge ein Terminal erst gar nicht verlassen, weil es an Abstellgleisen auf dem Weg fehle. „Wir müssen mehr Luft in das System bekommen, um so Verspätungen aufzufangen“, sagt Stahl. Dazu müssten bestehende Gleise umgewidmet, teilweise Gleise verlängert und an anderen Orten komplett neu gebaut werden.

Stornierungsentgelte sind „absurd“

Zudem sieht er nach wie vor Verbesserungspotenzial bei den Netzbetreibern.  Er fordert, dass diese sich untereinander besser beim Baustellenmanagement abstimmen. Beispielsweise müssten die Güterbahnen zu häufig bei den Netzbetreibern intervenieren und darauf hinweisen, dass bestimmte Korridore nicht gleichzeitig gesperrt werden dürfen.

Als „absurd“ bezeichnete er die Stornierungsentgelte, die von den Netzbetreibern verlangt werden, gerade auch von DB InfraGo: „Die basieren auf der Idee eines stabilen Systems und unterstellen, dass die Güterbahnen falsch kalkuliert haben. Aber wir bestellen ja Züge ab, weil es Probleme im Netz gibt“, sagt Stahl. Und er fordert, dass die Trassenpreise über einen längeren Zeitrahmen, am besten über fünf Jahre, stabil sind, damit die Güterbahnen entsprechend kalkulieren können.

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