Kombi hat Corona - DVZ 20/10/20
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Kombi hat Corona
Die Coronapandemie hat auch den Markt des Kombinierten Verkehrs in Europa tiefgreifend verändert. Das zeigt eine – nicht repräsentative – Umfrage der DVZ unter den Architekten dieser Transporte, den Operateuren. Volumenverluste von bis zu 25 Prozent, steigende Kosten und sinkende Verkaufspreise, mehr Leerfahrten und weniger Profit: Viel Negatives ist dabei. Aber auch Positives brachte Covid-19 dem Kombinierten Verkehr: Er hat sich gerade in den schlimmsten Krisenzeiten als verlässlicher und stabiler Logistikpartner profiliert.
Fangen wir mit den nackten Zahlen an. Die sind nicht schön – bei keinem der Befragten. Deutlich wird aber, dass es offenkundig Anbieter in den kontinentalen Verkehren härter getroffen hat als ihre Marktbegleiter im maritimen Geschäftsfeld. Da erwartet beispielsweise der slowenische Anbieter Adriakombi fast ein Viertel weniger Volumen in diesem Jahr. Ähnlich sieht es beim österreichischen Intermodalspezialisten Gartner aus. Und dem Schweizer Rollende-Landstraße-Anbieter Ralpin könnten bis zum Jahresende sogar bis zu 30 Prozent fehlen.
Deutlich glimpflicher ist TX Logistik bisher davongekommen. So gab es im maritimen Verkehr zwar ziemlich rasch Volumenverluste durch den Shutdown in China. Diese Verkehre zogen dann aber vergleichsweise schnell wieder an – zumindest bei den Importen. Transfracht meldet einen ähnlichen Verlauf. Im kontinentalen Verkehr wiederum verlor TX, Tochtergesellschaft der staatlichen italienischen Güterbahn Mercitalia, zwar deutlich an Transportmengen, auch durch den europaweiten Shutdown der Automobilindustrie. Gleichzeitig konnte der Anbieter aber auch zusätzliche Transporte nach Italien auf sich ziehen, die auf der Straße Corona-bedingt nicht möglich waren. Hupac spricht von etwa 5 Prozent weniger Sendungen, die Roland Spedition nur von „weniger Sendungen – mehr kann man aktuell noch nicht sagen“.
Kaum eines der antwortenden Unternehmen geht davon aus, dass die Rückgänge 2021 schon wieder vollständig aufgeholt werden können. Fast alle rechnen mit Zahlen ähnlich 2018 und hoffen wie der französische Anbieter Naviland Cargo auf ein Ergebnis wie 2019 – zu unsicher ist, was Corona noch mit sich bringt. Optimistischer ist nur der Lübecker Anbieter ECL: Der will 2021 schon 8 Prozent über den Transportzahlen aus 2019 liegen.
30 Prozent weniger Sendungen könnte Ralpin Ende des Jahres 2020 registrieren.
Quelle: Ralpin
Viele Veränderungen – aber nicht nur negative
Der Volumenverlust hat den Operateuren aber nicht nur direkt geschadet: Es fällt den Anbietern auch immer schwerer, genügend Sendungen für wirtschaftliche Rundläufe zusammenzubekommen. Die Zahl der leeren Ladeeinheiten wächst – und deren Transport auf der Schiene ist zu teuer. In der Folge wandern Verkehre auf die Straße ab.
Auch die Alternative von mehr Dreiecksverkehren in den Kombinetzen hat Schattenseiten. Gartner-Intermodalchef Jochen Weber: „Sie sind allein durch die hohen Terminalkosten in der EU überwiegend ein Notbehelf, um bestehende intermodale Systeme und Linien nicht noch weiter auszudünnen.“ Hinzu kommt, dass der reine Straßentransport in Coronazeiten deutlich günstiger geworden ist und die ohnehin margenschwachen Kombi-Verkehre damit noch mehr unter Druck geraten. Eigentlich müssten vor allem Güterbahnen und Terminalbetreiber auf diese Situation mit nachhaltigen Preiskonzepten reagieren, fordert Weber – aber dort herrsche vor allem „Konzeptlosigkeit“.
Allerdings hat Corona auch dafür gesorgt, dass der Kombinierte Verkehr mit Flexibilität und Reaktionsfähigkeit punkten konnte. „Intermodale Schienentransporte sind kein starres System, sondern ein wesentlicher Teil der Logistikketten – diese Erkenntnis dürfte geschärft worden sein“, stellt TX-Logistik-Vertriebschefin Berit Börke fest. Hupac registriert ein „Bewusstsein für die Belastbarkeit des Kombinierten Verkehrs in Extremsituationen“. Für Metrans-CEO Peter Kiss haben die Anbieter bewiesen, „dass die Schiene das Rückgrat des Transportsegments ist“. Und Transfracht-Chef Bernd Pahnke ist überzeugt, „dass gewissen Werten eine andere Bedeutung zugeschrieben wird als noch vor der Pandemie – und der umweltfreundliche Verkehrsträger Schiene wird von einer nachhaltigen Werteverschiebung profitieren“.
Kosten steigen auch im Coronajahr 2020 deutlich an
Auch im Coronajahr 2020 gibt es offenbar keine Entlastung auf der Kostenseite – im Gegenteil. Die Trassenkosten stiegen um 2,4 Prozent, sagt TX-Managerin Börke. Der Grundpreis werde auch 2021 in gleicher Größenordnung angehoben – „da schaffen auch die aktuellen Trassenpreisförderungen nur bedingt Abhilfe“. Und: „Diese nicht beeinflussbaren Kosten müssen im intensiven Wettbewerb mit der Straße immer wieder aufs Neue kompensiert werden.“
Gartner-Manager Weber macht sich für eine europäische Gesamtlösung bei den Trassenpreisen stark und kritisiert heftig die Umschlagsätze in den Terminals. Hier seien Kostensenkungen überfällig. Die Betreiber macht er zudem mitverantwortlich dafür, dass die Trucking-Kosten im Kombinierten Verkehr steigen – ein Trend, der offenkundig durch die sinkenden Sendungsmengen befeuert wird.
CFL Multimodal betont, dass die Schiene auch hohe Investitionen in die Sicherheit zu stemmen habe. Das schwäche sie im Wettbewerb mit der Straße. Und Ralpin-CEO Ludwig Näf verweist darauf, was gleichzeitig im reinen LKW-Verkehr los ist: „hoher Konkurrenzdruck, gesunkene Treibstoffpreise, LNG-Mautbefreiung in Deutschland“. All das führe zu einer Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße.
2,4 Prozent höhere Trassenkosten meldet TX Logistik für das Coronajahr 2020.
Quelle: TX Logistik
Nur Europa kann für Gerechtigkeit im Markt sorgen
Das alles klingt nicht gerade nach verkehrspolitisch gelungener Bewältigung der Coronaherausforderungen. Vielmehr scheint es, als seien auch die Klimaziele im Verkehr ein Opfer des Virus geworden. Die Operateure lehnen häufig rein nationale Lösungen als Ausweg ab und suchen stattdessen ihr Heil in Brüssel. Die EU-Kommission solle Ausgleichszahlungen wegen der Pandemiefolgen steuern, fordert beispielsweise TX-Vertriebschefin Börke – ihr Unternehmen sieht sich in Deutschland jedenfalls gegenüber „bestimmten Schienenwettbewerbern“ benachteiligt. Das empfindet Metrans-Chef Kiss genauso. Für Gartner-Manager Weber werden allerdings auf EU-Ebene viel zu oft die Produzenten des Kombinierten Verkehrs gehört – „sachkundige Gremien der Nutzer müssten ihre direkte Plattform zur Verfügung haben“. Und, wenig überraschend, fordert er eine „europäische Kostenbremse für Terminalumschlagkosten und -depotgebühren“.
Nahezu unsisono machen sich alle Beteiligten für mehr konkrete Unterstützung durch die Politik stark. Um eine Verlagerung auf die Straße zu verhindern, wo die Preise gefallen sind, fordert Hupac Trassensubventionen für Eisenbahn-Verkehrsunternehmen und Betriebssubventionen für die Betreiber des Kombinierten Verkehrs. ECL hält „grundsätzlich und mehr denn je“ eine politische Stärkung des Kombinierten Verkehrs für nötig – beispielsweise durch eine langfristige Trassenpreisförderung, Subventionen für die Anschaffung kranbarer Trailer, Zulassung von Lang-LKW (zwei Trailer) im Vor- und Nachlauf und finanzielle Anreize für den Modal Shift für Speditionen.
Vieles davon ist nicht neu – so wie auch die Forderung, endlich Kostengerechtigkeit zu schaffen zwischen Straße und Schiene. „Das betrifft vor allem die Energie- und Trassenpreise“, präzisiert Börke. Nachdenklich allerdings stimmt, was Roman Mayer auf die Frage antwortet, ob er von der Regierung seines Landes oder von der EU Unterstützung erwarte. „Nein“, hat der Schweizerzug-Gesellschafter in den Fragebogen getippt: „Leider nicht!“