Sustainable freight transport can only succeed with strong railways 07/08/23

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Source: https://table.media/europe/standpunkt/nachhaltiger-gueterverkehr-gelingt-nur-mit-starker-schiene/

 

Nachhaltiger Güterverkehr gelingt nur

mit starker Schiene

Von Sven Wellbrock
Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer der VTG GmbH. Das Unternehmen vermietet Eisenbahngüterwagen und verfügt über mehr als 88.000 Waggons.
Mitte Juli stellte die Kommission ihren Vorschlag für einen nachhaltigen europäischen Güterverkehr vor. Große Hoffnungen setzt die Kommission in den Kombinierten Verkehr. Sven Wellbrock von VTG erklärt, welche fünf Maßnahmen notwendig sind, damit das Vorhaben ein Erfolg wird.

Mitte Juli stellte die Kommission ihr Maßnahmenpaket für einen nachhaltigen europäischen Güterverkehr vor. In der Branche wurde der Vorstoß mit großer Spannung erwartet, denn angesichts steigender Transportbedarfe in der Zukunft ist klar: Es ist höchste Zeit, die Dekarbonisierung im Güterverkehr jetzt voranzutreiben. Gelingt dies nicht, droht die Europäische Union mit ihrem selbsterklärten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu scheitern.

Noch immer werden mehr als 50 Prozent des europäischen Güterverkehrs auf der Straße transportiert – eine Belastung nicht nur für das Klima, sondern auch für die Infrastruktur. Aktuelle Zahlen aus Brüssel belegen: Von den gesamten Treibhausgasemissionen der EU entfallen 25 Prozent auf den Verkehrssektor – jedoch nur 0,4 Prozent auf den Schienenverkehr. An dieser Realität kommt niemand vorbei. Die Botschaft der EU-Kommission fiel dementsprechend deutlich aus: Es bedarf einer stärkeren Fokussierung auf den Schienengüterverkehr in ganz Europa.

Kombination von Straße, Wasser und Schiene

Einen weiteren Schlüssel zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs sieht die EU-Kommission im Kombinierten Verkehr (KV). Die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße miteinander zu kombinieren hat dabei nicht nur ökologische Vorteile. Auch (volks-)wirtschaftliche Faktoren sprechen für die Nutzung intermodaler Verkehrslösungen. Bereits 2030 sollen 21 Milliarden Tonnenkilometer über den Kombinierten Verkehr abgewickelt werden, bis 2050 sollen es dann 26 Milliarden Tonnenkilometern sein.
Durch die verstärkte Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene können im Vergleich zum Straßentransport große Mengen CO₂ eingespart werden. Laut dem IFEU-Institut Heidelberg beläuft sich der Wert pro Tonne und Kilometer auf 54 Gramm CO₂.

Durch die bessere und effektivere Verteilung des Güterverkehrs auf verschiedene Infrastrukturen kommt es zu einer Entlastung auf Straßen und Autobahnen. Auf diese Weise wird das Verkehrsaufkommen deutlich reduziert und es gibt weniger Staus. Damit der Kombinierte Verkehr in Europa zum von der EU-Kommission gewünschten Erfolgsmodell werden kann, müssen allerdings in den weiteren Gesetzgebungsprozessen zur Umsetzung des Maßnahmenpakets folgende fünf Maßnahmen ergriffen werden.

Fünf Bedingungen für den Erfolg


Erstens kann der Schienengüterverkehr sein volles Potenzial nur dann entfalten, wenn unter allen Playern ein „gesunder“ Wettbewerb herrscht. Die Schaffung fairer Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer ist die Basis für erfolgreichen und wirksamen Wettbewerb. Nur so kann sich ein finanziell attraktiver und umweltschonender Schienengüterverkehr etablieren, der in ernsthafte Konkurrenz zur Straße und zum internationalen Wettbewerb auf der Schiene treten kann. Denn solange der Straßentransport mit fossilen Kraftstoffen die deutlich günstigere Option ist, wird es zu keiner großflächigen Umstellung von Logistikketten kommen.

Unverständlicherweise bleibt der Vorschlag der EU-Kommission ausgerechnet in dieser Hinsicht deutlich hinter den Erwartungen zurück. Statt die Verkehrswende jetzt voranzutreiben, setzt der Vorschlag kurzfristig neue Anreize für den Transport per Lkw, denn das zulässige Gesamtgewicht für modulare Lkw in grenzüberschreitenden Transporten soll künftig auf 44 Tonnen erhöht werden. Erst ab 2035 müssen diese Transporte dann emissionsfrei erfolgen, was weitere zwölf Jahre Wachstum des Verkehrs mit Diesel-Lkw bedeutet.

Noch mehr Verkehr auf der Straße droht

Die Konsequenz ist kontraproduktiv: Die Kosten für solche Lkw-Transporte würden dadurch pro Tonne zunächst sinken, im äußerst preissensitiven Güterverkehr führen solche Signale jedoch zu unmittelbaren Reaktionen. Die Waren würden so wieder verstärkt auf der Straße transportiert werden. An dieser Stelle wünschen wir uns mehr Mut für eine größere Ambition, mit der wir die Zukunft des Güterverkehrs in Europa gestalten.

Zweitens bedarf es europaweit neuer und digitalisierter Umschlagterminals. Denn nur mit zusätzlichen Zugangspunkten zum Schienennetz kann ein Wachstum auf der Schiene ermöglicht werden. Darüber hinaus muss die Schieneninfrastruktur in der Fläche weiter ausgebaut werden, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden. Investitionen in den Neubau und die Instandhaltung von Gleisanschlüssen sowie den Ausbau von Korridoren sind für eine langfristig erfolgreiche Verlagerung von der Straße auf die Schiene unumgänglich.

Neue Lösungen für Bahnverladung gesucht

Drittens müssen flächendeckende Lösungen für die Bahnverladung von nicht kranbaren Sattelaufliegern gefunden werden. In Europa werden Gütertransporte hauptsächlich mit Trailern verschiedener Bauarten durchgeführt, die aber nur zu einem sehr geringen Teil – etwa fünf Prozent – für den Kombinierten Verkehr (KV) tauglich sind. Dieser Rückstand stellt die größte Hürde für durchlässige Transporte dar. Umso dringender braucht es europaweite gesetzliche Regelungen für einheitliche Standards in der Technik, um diese Sattelauflieger für die Standardumschlagprozesse im KV bahnfähig zu machen. Insbesondere die Zulassung des sogenannten „Lang-Lkw“ sollte nur in Verbindung mit einer entsprechenden Standardisierung der Trailer erfolgen.

Viertens muss die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) europaweit forciert werden. Die DAK hat enormes Potenzial, den Schienengüterverkehr effizienter und so wettbewerbsfähiger zu machen. Alle EU-Mitgliedstaaten müssen die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, damit die Innovation grenzübergreifend genutzt werden kann.

Regulierung muss EU-weit harmonisiert werden

Fünftens bedarf es einer Vereinfachung der Regulatorik. Planung und Durchführung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs innerhalb Europas ist kompliziert und muss drastisch vereinfacht werden. Hierfür ist eine europaweite Harmonisierung der gesetzlichen Vorschriften und Regularien notwendig. Dazu zählen zum Beispiel die Digitalisierung der Frachtpapiere, die Einführung einer gemeinsamen Verkehrssprache sowie ein einheitlicher Rechtsrahmen.

Es bleibt zu wünschen, dass das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union in den kommenden Monaten in diesen fünf Handlungsfeldern tätig werden. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass aus gut gemeinten Ideen der Kommission keine hinderlichen Gesetze für den KV werden. Es bedarf mutiger Entscheidungen und großer Anstrengungen, um das Ruder für den nachhaltigen Schienengüterverkehr noch herumzureißen.

Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer Europe und Chief Safety Officer bei VTG. Das Hamburger Unternehmen ist Eisenbahngüterwagen-Vermieter und Schienenlogistiker und verfügt über mehr als 88.000 Eisenbahngüterwagen.

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