Interview with former UIRR Chairman Robert Breuhahn 27/08/24
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Im Kombinierten Verkehr läuft eine Menge schief
Es gibt nur wenige, die sich beruflich so intensiv mit dem Kombinierten Verkehr befasst haben wie Robert Breuhahn. Der Ex-Kombiverkehrs-Geschäftsführer über die Gründe der Krise und mögliche Auswege.
Was ist nur los mit dem Kombinierten Verkehr (KV)? Über Jahre hinweg wurden ihm die höchsten Wachstumsraten im Landverkehr vorhergesagt, zumindest prozentual gesehen. 2023 dann der Absturz: minus 7,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bei der Verkehrsleistung. Die weitere Entwicklung im Jahr 2024 verheißt nichts Gutes. Laut Destatis ist die Verkehrsleistung im gesamten Schienengüterverkehr von Januar bis Mai nochmals um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken.
Einer, der schon viele Höhen und Tiefen im KV durchlebt hat, ist Robert Breuhahn. Der Absolvent der Bremer Deutschen Außenhandels- und Verkehrs-Akademie (DAV) startete seine berufliche Laufbahn am 1. März 1977 bei Kombiverkehr. Ende 2021 schied er beim Operateur nach 28 Jahren als Geschäftsführer altersbedingt aus.
Viele Höhen und Tiefen
Oft durfte er zuletzt hören, er habe noch gerade rechtzeitig den Absprung geschafft. So schwierig wie aktuell seien die Zeiten im KV noch nie gewesen. Doch Breuhahn widerspricht: „Höhen und Tiefen gab es in meiner Karriere viele“, sagt er. Und raus aus der Branche ist er auch nicht: Als Berater stellt er sein Wissen zur Verfügung und hält sich so über die aktuelle Entwicklung auf dem Laufenden.
Was läuft denn schief im KV? „Eine ganze Menge“, sagt er. Für die rückläufige Konjunktur könne die Branche nichts. Gleiches gelte für die gestiegenen Energiepreise, wobei der strombetriebene Bahnverkehr stärker betroffen sei als der dieselangetriebene Lkw.
Veraltetes Schienennetz
„Eines der größten Probleme ist das veraltete Schienennetz“, hält Breuhahn fest. Dessen Zustand beeinflusse maßgeblich die Leistungsqualität. Die Pünktlichkeit sei schon immer ein wichtiger Faktor im Wettbewerb mit dem Lkw gewesen. „Früher lagen wir mal bei 88, 89 Prozent“, sagt der Ex-Geschäftsführer. „Heute können wir froh sein, wenn die Züge zu 60 Prozent pünktlich sind.“
Doch nicht nur im Netz, auch bei DB Cargo sieht er gravierende Probleme. „DB Cargo steckt in einem tiefen Tal“, sagt er und bezieht sich mit dieser Aussage nicht nur auf die hohen Verluste, die das Unternehmen geschrieben hat. Seiner Ansicht nach wurden Fehler gemacht, die zu gravierenden Folgen geführt hätten. So habe er es in der ersten Hälfte seines Berufslebens nur mit einem einzigen Ansprechpartner bei DB Cargo zu tun gehabt. Der konnte über alles entscheiden, über Trassen, Traktion, Lokomotiven, Waggons, Terminals. „In meiner zweiten Berufshälfte saßen mir zehn Leute gegenüber für einen Zug“, sagt Breuhahn.
Zu viele wollen profitieren
Damit war nicht nur ein höherer organisatorischer Aufwand für den Aufbau neuer Verkehre verbunden. „Es gab auch zehn Personen, die von dem Transport profitieren und einen Gewinn erzielen wollten.“ Angesichts überschaubarer Margen in dem Geschäft bleibt jedoch nicht für jeden Beteiligten Geld übrig. Seiner Kenntnis nach würden beispielsweise die Terminals gute Gewinne erwirtschaften – Geld, das früher in die Kassen von DB Cargo floss, jetzt aber bei den Terminals lande.
Kein Verständnis zeigt er für den derzeitigen Sanierungskurs bei DB Cargo: „Ich verstehe den Strategiewechsel nicht. Erst soll die Produktion an RBH Logistics und Mitteldeutsche Eisenbahn (MEG) ausgelagert werden. Dann wird der Wechsel doch nicht vollzogen.“ Damit verunsichere das Management nicht nur das eigene Personal, sondern auch Partner und Kunden.
Widersprüchliche Politik
Zudem missfällt ihm die Rolle des Staates: „Die Politik muss sich generell fragen, was sie will, und dann entsprechend handeln“, sagt Breuhahn. Mehr Güter auf die Schiene fordern, aber nicht für ein ausgebautes Netz zu sorgen: Das widerspreche sich. „Nehmen Sie das Beispiel München. Das dortige Terminal Riem ist nahezu ausgelastet. Ein neues soll im Norden Münchens entstehen, voraussichtliche Inbetriebnahme 2031. Das dauert zu lange. Und was passiert in den sieben Jahren bis dahin?“
Er vermisst eine vorausschauende Infrastrukturplanung, denn München sei kein Einzelfall. „Wenn die Politik 2030 einen Modal Split von 25 Prozent will, hätte sie schon vor Jahren handeln und bundesweit weitere Bauprojekte auf den Weg bringen müssen.“ Da das nicht oder kaum passiert sei, sieht er kaum Chancen für ein spürbares Wachstum.
Trotz aller Kritik ist Breuhahn von den Vorteilen intermodaler Verkehre überzeugt: „Der KV ist nicht mehr wegzudenken. Er hat auch Zukunft, sofern das Netz – die Basis – den Anforderungen entspricht.“ Und mit dem KV lasse sich zweifelsohne Geld verdienen, so der Experte. Sonst wären nicht so viele Unternehmen schon seit Jahren in dem Markt tätig, egal ob Speditionen oder Bahnen.
Und was können die Operateure, die Spediteure und die Verlader dazu beitragen, dass der KV an Bedeutung gewinnt? Breuhahn kritisiert, dass in der intermodalen Kette viel zu wenig und zu selten die Auftraggeber eingebunden sind. „Der Verlader muss wissen, was es konzeptionell bedeutet, wenn Transporte auf die Schiene gehen“, fordert Breuhahn. Dazu sollte sich der Verlader stärker einbringen: „Das CO2-Zertifikat zu fordern, aber auf der anderen Seite zu sagen: Ich hätte gerne eine Pünktlichkeit von 99 Prozent und will genauso viel zahlen wie bisher: Das funktioniert nicht.“
Von den Spediteuren erwartet er eine größere Kooperationsbereitschaft: „Wenn zwei Spediteure zusammen ein Volumen von jeweils zehn Lkw von A nach B haben und sich zusammentun, dann ergibt das schon fast einen KV-Zug.“ Aber unter den Speditionen sei die Befürchtung immer noch stark verbreitet, die Kollegen könnten sich gegenseitig Kunden abspenstig machen.
Den Einwand, dass Intermodal-Transporte vor allem für Neulinge kompliziert sind, leugnet er nicht. „Alle diejenigen Spediteure, die heute im KV eine feste Größe sind, haben in ihren Anfangsjahren Lehrgeld gezahlt“, sagt Breuhahn. Doch nach einer gewissen Zeit würden die Vorteile überwiegen. „Wenn ein Unternehmen in den Markt einsteigen will, braucht es Geduld, und diese Entscheidung muss zentral und von der obersten Führungsebene getroffen werden“, sagt der Branchenkenner.
Tipps für Neueinsteiger
Anfangs sei es gerade für Disponenten schwierig. Die würden es nicht kennen, dass eine Sendung zu einem festen Zeitpunkt am Abgangsterminal sein muss, damit sie mitkommt. Oder dass nicht eindeutig geklärt ist, wann die Sendungen im Eingangsterminal ankommen. Demgegenüber stünden jedoch viele Vorteile der Schiene, die die Spediteure nur teilweise wahrnehmen: weniger Zugmaschinen, weniger Fahrer, Verteilung von CO2-Zertifikaten, kein Wochenendfahrverbot, höhere Gewichte, Maut nur im Vor- und Nachlauf et cetera. Als Neuling sei es wichtig, zunächst auf wenigen Relationen anzufangen, um so nach und nach Erfahrungen zu sammeln. Dann könne das Geschäft nach und nach ausgedehnt werden – und dann seien auch wieder höhere Wachstumsraten im KV möglich.
Michael Cordes