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Österreich: Ambitionierte Ziele für die Schiene bis 2040
Author: Von Stefan Bottler
17.11.2025 | Für Güterverkehre per Bahn hat der Alpenstaat umfangreiche Förderprogramme entwickelt. Das Nachbarland hat sich im Vergleich zu Deutschland deutlich ehrgeizigere Ziele gesetzt: 40 Prozent soll der Modal Split 2040 betragen.
Was haben Boxxpress, DB Cargo, Eurogate Rail Hungary, RTI Railtrans International und PKP Cargo gemeinsam? Alle fünf deutschen und osteuropäischen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bieten in Österreich Schienengüterverkehre (SGV) an und erhalten deshalb Gelder aus dem Förderprogramm SGV Plus. Mit diesem unterstützt die Bundesregierung in Wien Einzelwagenverkehre, Kombinierte Verkehre (KV) und Rollende Landstraßen (RoLa).
EVU werden Trassenpreise teilweise erstattet
Für diese Transportlösungen, die die österreichische Bürokratie mit dem Begriff „Güterverkehr manipuliert“ zusammenfasst, müssen in- und ausländische EVU Trassenpreise – in Österreich auch Wegeentgelte genannt – an die Netzbetreiber ÖBB Infrastruktur und Raaberbahn im Burgenland zahlen. Mit SGV Plus werden ihnen diese Gelder zurückerstattet. Außerdem können die EVU Fördergelder für ihre Transportdienstleistungen beantragen. Die Höhe hängt von der Zahl der transportierten Einheiten und von den nachweisbaren Verkehrsleistungen ab.
Die Bundesregierung will mit SGV Plus den seit Jahren sinkenden Modal Split der Schienengüterverkehre stoppen. Bei der Transportleistung betrug dieser zuletzt 26,4 Prozent (2023), was gemessen am europaweiten Durchschnitt (17 Prozent) immer noch viel ist. „Wir sind Musterschüler“, heißt es aus dem Fachverband der Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die Kammer ist mit SGV Plus rundum zufrieden und fordert lediglich eine Anpassung der Fördersummen an die Inflation.
Investitionsförderprogramm Kombinierter Güterverkehr
Trotzdem will die Regierung eine Trendwende einleiten und den Schienengüterverkehren zu höheren Marktanteilen verhelfen. 2040 soll laut einem Masterplan deren Anteil am Modal Split 40 Prozent betragen. Zwei weitere Förderprogramme sollen hierbei helfen. Das Investitionsförderprogramm Kombinierter Güterverkehr (IKV) winkt mit Zuschüssen zwischen 10.000 und 1 Million Euro für alle Produkte und Dienstleistungen rund um unbegleitete Verkehre. Das Spektrum der Fördergegenstände reicht von Transportfahrzeugen über Machbarkeitsstudien bis hin zu Aus- und Weiterbildung. Mit 5,5 Millionen Euro ist das Jahresbudget vergleichsweise klein. Antragsberechtigt sind mit Ausnahme von Terminalbetreibern alle Stakeholder von Kombinierten Verkehren, die eine Niederlassung in Österreich haben.
Für die Betreiber der landesweit 13 Terminals, die nicht von der ÖBB geführt werden, gibt es das Anschlussbahn- und Terminalförderprogramm (ATF). Mit einem Jahresbudget von 11 Millionen Euro werden Bau und Ausbau von Bahnanlagen und Umschlageinrichtungen gefördert. Jedes Projekt wird mit maximal 2,5 Millionen Euro unterstützt, auch für Bestandsinvestitionen gibt es Geld. Die Bundesregierung will mit ATF den Ausbau der ÖBB-Infrastruktur abrunden. Vier der sechs ÖBB-Terminals sollen bis 2030 mit insgesamt knapp einer halben Milliarde Euro modernisiert werden, hinzu kommen Investitionen in Streckenneubauten, -modernisierungen und -elektrifizierungen. Im ÖBB-Rahmenplan 2025–2030 stellt die Regierung 20 Milliarden Euro zur Verfügung.
Einige Bundesländer haben zusätzlich eigene Förderprogramme aufgelegt und wollen vor allem den heimischen Mittelstand für die Schiene gewinnen. Niederösterreich und Tirol unterstützen Einzelwagenverkehre mit maximal 200 Euro pro Waggon, Salzburg spendiert sogar bis zu 240 Euro und fördert außerdem den Bau von Anschlussbahnen.
26,4 Prozent betrug der Modal Split der Schiene in Österreich 2023.
Quelle: Statistik Austria
40 Prozent ist der Zielwert für den Modal Split in Österreich 2040.
Quelle: Mobilitätsmasterplan 2030 (aus dem Jahr 2021)
Multimodale Konzepte angemahnt
Solche Programme stoßen allerdings auch auf Skepsis. „Der Einzelwagenverkehr steht aufgrund der langen Laufzeiten und hohen Kosten weiterhin im starken Wettbewerb zum Straßengüterverkehr“, sagt Alexander Wolf, Geschäftsführer von Gebrüder Weiss Rail Cargo. Vor allem für die Infrastruktur wünscht sich der Manager zusätzliche Fördergelder. „Aktuell werden in Österreich bis zu 30 Prozent der Investitionen gefördert“, sagt Wolf. „In Deutschland liegt die Quote teils bei bis zu 80 Prozent: Das zeigt, dass hier noch Potenzial besteht.“
Solche Äußerungen greifen auch grundsätzliche Bedenken auf, dass die einzelnen Programme nur singuläre Lösungen unterstützen und deshalb nicht wirklich nachhaltig seien. „Die Politik sollte strukturierte Programme für den Umstieg auf intermodale Lösungen entwickeln“, mahnt Franz Staberhofer, Obmann des Vereins Netzwerk Logistik (VNL). „Wichtig ist die Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger und die Entwicklung von multimodalen Konzepten.“
Die Politik setzt derweil auf Kontinuität und möchte die drei nationalen Programme verlängern. Als nächstes steht dies dem IKV bevor, das Ende 2025 ausläuft. Inwieweit die Förderkonditionen angepasst werden, bleibt abzuwarten.
19,7 Milliarden Euro gibt die ÖBB für ihr Schienennetz aus (2025 bis 2030).
Quelle: ÖBB-Rahmenplan, 2025
352 Euro pro Kopf investiert Österreich ins Schienennetz (Deutschland 2024: 198 Euro).
Quelle: Allianz pro Schiene
Warnung von Professor Sebastian Kummer
Auf strukturelle Veränderungen stimmt Sebastian Kummer, Professor am Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien, die Branche ein. „Wachsende Personenverkehre, ein veränderter Sendungsmix weg von Massengütern sowie eine geringe Innovationsfähigkeit werden eine Stabilisierung des Modal Split erschweren“, prognostiziert der Logistikwissenschaftler. „Die Politik sollte grüne KV-Verkehre mit batteriegetrieben Lkw im Vor- und Nachlauf sowie neue Terminalkapazitäten fördern.“ Die stärkste Förderung seien ohnehin die vergleichsweise niedrigen Wegeentgelte. Sie sind trotz eines kräftigen Anstiegs Anfang 2024 weiterhin deutlich günstiger als in Deutschland. (cd)