Emprung bei Platter: EU-Kommissarin "wirft uns zehn Jahre zurck"
Komplette Abfuhr: EU-Verkehrskommissarin Adina Vlean fordert Tirol zur Rcknahme von Teilen der Lkw-Fahrverbote auf. Platter hat bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz ber das enttuschende Treffen mit der EU-Verkehrskommissarin informiert. Dieser teilt das Unverstndnis des Landeshauptmanns. Kurz will bei Von der Leyen vorstellig werden.
Landeshauptmann Gnther Platter neben Verkehrsministerin Leonore Gewessler und EU-Verkehrskommissarin Adina Valean.
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Letztes Update am Freitag, 14.02.2020, 15:46Innsbruck Das ergebnislose Treffen zwischen Tirols Landeshauptmann Gnther Platter (VP), Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grne) und EU-Verkehrskommissarin Adina Valean schlgt Wellen. Valena zeigt nmlich kein Verstndnis fr die Tiroler Fahrverbote und mchte erst ber hhere Lkw-Mauttarife am Brenner reden, wenn Tirol Abstriche davon macht. Die harsche Kritik Valeans sorgte fr ein frostiges Klima bei dem Treffen Freitagvormittag in Innsbruck. So wollte Valean danach berhaupt kein Pressestatement abgeben, Fragen waren "aus Zeitgrnden" ohnehin nicht zugelassen.
Offenbar stellte Valean auch Tirols Rolle in der EU infrage, was zu einer zustzlichen Zuspitzung gefhrt haben soll.
ber den Verlauf des Treffens hat Landeshauptmann Gnther Platter bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz informiert, schlielich hat die Bundesregierung im aktuellen Regierungsprogramm Tirol vollste Untersttzung in der Verkehrspolitik zugesagt. Auch gegenber der EU. Platters nchternes Fazit: "Das alles ist fr mich unfassbar. Offenbar befinden wird uns in der Transitpolitik wieder am Anfang, jedenfalls wirft uns die neue EU-Kommissarin zehn Jahre zurck."
Kurz teilt Unverstndnis und will Von der Leyen darauf ansprechen
Bundeskanzler Sebastian Kurz teilte am Freitagnachmittag mit, er teile das Unverstndnis des Landeshauptmannes "voll und ganz". "Die Kommission muss endlich Lsungen prsentieren. Das werde ich auch bei meinem nchsten Treffen mit EU-Kommissionsprsidentin Ursula von der Leyen zum Ausdruck bringen und weiter auf eine Entlastung der transitgeplagten Bevlkerung in Tirol pochen", so der Landeshauptmann.
Auch will Kurz das Thema beim Treffen mit Bayerns Ministerprsident Markus Sder am Rande der Mnchner Sicherheitskonferenz ansprechen. "Am kommenden Dienstag werde ich in Innsbruck mit dem Landeshauptmann die weitere Vorgangsweise abstimmen", so Kurz abschlieend.
Schelte fr Tirol
Das heutige Treffen zwischen Tirols Landeshauptmann Gnther Platter (VP), Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grne) und EU-Verkehrskommissarin Adina Vlean geriet zuvor zur Schelte fr Tirol fr die in den vergangenen Jahren verfgten Manahmen zur Reduktion des Transitverkehr auf der Brennerachse. Offen kritisierte Vlean, dass es nicht gehe, dass jedes Land Einzelmanahmen treffe. Intern hat sie bei dem Gesprch klargemacht, dass erst ber hhere Lkw-Mauttarife auf der Brennerachse verhandelt werde (Korridormaut), wenn Tirol Teile wie Verschrfungen des sektoralen Lkw-Fahrverbots zurcknehme.
Adina Vlean zeigte kein Verstndnis fr Tirols Manahmen.
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Landeshauptmann Gnther Platter zeigte sich nach dem Gesprch sichtlich verrgert ber die Haltung Vleans: "Am besten wre es, die Europische Kommission klagt gegen Tirol, dann wird man sehen, ob unsere Manahmen dem von der EU ausgerufenen Green Deal in der Umweltpolitik widersprechen." Tirol werde sicher die Notwehrmanahmen (Lkw-Dossiersystem, sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbote) nicht zurcknehmen. Das knne erst der Fall sein, wenn durch hhere Mauten und eine Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene die Brennerachse beziehungsweise Bevlkerung und Umwelt vom Lkw-Transit entlastet werden. Einziges positives Signal der EU-Verkehrskommissarin: Sie bezeichnete den Brennerbasistunnel als wichtigstes Verkehrsprojekt, auch in der neuen EU-Finanzierungsperiode ab 2021 werde Geld von Brssel flieen.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler betonte, dass sterreich seine Verpflichtungen aus dem Zehnpunkteprogramm, das im Sommer in Berlin vereinbart wurde, bereits erflle. Zum einen sei im Dezember bereits die Mautbefreiung bis Kufstein Sd in Kraft getreten, zum anderen "werden die Kapazitten auf der rollenden Landstrae deutlich erhht. Ab 1. April auf 400.000 Lkw". Nach dem Gesprch in der Landesregierung stand ein Besuch der Baustelle des Brennerbasistunnels auf dem Programm.
Korridormaut fr Valean "gangbare Lsung"
Das Transit-Treffen ging dann ohne konkrete Ergebnisse, aber mit Absichtserklrungen ber die Bhne. Die von Tirol seit Jahren vehement geforderte Korridormaut zwischen Mnchen und Verona bezeichnete Valean immerhin als "gangbare Lsung fr die nahe Zukunft", sagte Valean in dem ffentlichen Statement vor Medienvertretern.
Man habe dazu weitere Gesprche vereinbart, so der Landeshauptmann. Platter machte aber klar, dass sich Valean "bewegen" msse. Schlielich habe ihre Vorgngerin Violeta Bulc einer Korridormaut de facto schon ihre "Zustimmung erteilt". Bulc hatte sich eine Korridormaut als temporre Lsung vorstellen knnen und schlug ein Pilotprojekt vor.
Um zu einer solchen Lsung zu kommen, mssten sich aber "alle Parteien an einen Tisch setzen", meinte die Neo-Kommissarin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Innsbrucker Landhaus ohne konkreter zu werden. Sie verstehe sich ohnehin als "Moderatorin", die es nicht als ihre Aufgabe sehe, selber Lsungen vorzuschlagen: "Das liegt nicht an mir". Die verschiedenen Parteien mssten sich hingegen "zusammensetzen" und Manahmen erarbeiten, so die Rumnin, die sich gegen unilaterale und fr multilaterale Lsungen aussprach.
Einen wesentlichen Baustein fr die Lsung der Transitproblematik ber den Brenner sah die Verkehrskommissarin im Brennerbasistunnel (BBT), der zeitgereicht im Jahr 2028 fertiggestellt sein soll. Dieser werde eine entsprechende Verlagerung des Gtertransports von der Strae auf die Schiene bringen. Im Bereich der Zulaufstrecken fr den Tunnel werde mehr Geld investiert werden mssen, erklrte Valean.
Gewessler dankt Valean fr Lokalaugenschein
Gewessler dankte indes Valean, dass sich diese auf den Weg nach Tirol gemacht habe, um sich das Transitproblem vor Ort zu vergegenwrtigen. Man habe ein "manifestes Problem", es brauche Entlastungen fr die Bevlkerung. "Es eint uns ein Ringen um Lsungen. Danke fr die Untersttzung und das Verstndnis", meinte die Verkehrsministerin - wie Valean relativ frisch im Amt. Am Ende wolle man ein "gutes und gangbares System" haben. Konkreter wurde auch Gewessler nicht aber auch sie sprach davon, dass man an der Korridormaut "weiterarbeiten" wolle und zudem eine Weiterentwicklung der Wegekostenrichtlinie auf EU-Ebene anstehe. sterreich habe jedenfalls seinen Teil beigetragen, so die Ministerin, und verwies etwa auf die deutlichen Kapazittssteigerungen auf der Rollenden Landstrae (RoLa) durch die BB. Sie werde aber in Sachen Transit das Gesprch mit den Kollegen aus Deutschland und Italien suchen, kndigte Gewessler an.
Platter nutzte die Gelegenheit, um einmal mehr den bekannten Tiroler Forderungskatalog zu prsentieren. So brauche es etwa dringend die Korridormaut. Dafr msse der Alpenraum als "sensibler Raum" definiert werden um die Lkw-Maut stufenweise auf das Niveau von Tirol bzw. sterreich anzuheben. Zudem erwarte er von der EU-Kommission, sich endlich der Problematik des Umwegtransits zu widmen. Die Route ber den Brenner sei im Vergleich zu jener ber die Schweiz zu billig diese Ungleichheit msse beendet werden.
LHStvin Ingrid Felpie (3.v.l.) neben LH Gnther Platter, Verkehrsministerin Leonore Gewessler und EU-Verkehrskommissarin Adina Valean.
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Tirol besteht auf fairer Verteilung und Lenkungsmanahmen
"Wir fordern eine faire Verteilung und Lenkungsmanahmen. Da ist meine Bitte und auch jene von Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer", sagte Platter, der die Einigkeit mit Scheuer in den verschiedensten Transit-Fragen mehrmals hervorstrich. Er sei bemht, Lsungen mit dem deutschen Verkehrsminister zu finden, so Platter, der mit dem CSU-Politiker zuletzt nicht immer gerade grn war. So habe ihm Scheuer auch die Umsetzung des beim Transit-Gipfel in Berlin im vergangenen Jahr verabschiedeten "Zehn-Punkte-Plans" garantiert eine weitere Tiroler Forderung. Einmal mehr mahnte Platter zudem die Realisierung der Zulaufstrecken fr den Brennerbasistunnel in Nord- und Sd ein. Es sei "fatal", dass man immer noch darum "bitten und betteln" msse.
An den Tiroler Fahrverboten wie dem "Sektoralen" will Platter trotz heftigen Widerstands, vor allem aus Italien, festhalten. Dass es hier Druck aus Italien und Deutschland gebe, "kann nicht sein". "Das ist ein Ding der Unmglichkeit", so der Landeshauptmann.
Journalistenfragen waren nach den Statements der drei Politiker nicht zugelassen. Termingrnde wurden angegeben. Nach dem Pressgesprch stand noch ein Besuch der Brennerbasistunnel-Baustelle am Programm. Valean wurde zudem noch in Sdtirol und Deutschland erwartet um sich mit den Verkehrsminister-Kollegen aus Italien und Deutschland auszutauschen. (TT)